ARCH+ Atlas-of-Commoning
ARCH+ features: Working Men's Club
Mit vier Millionen Mitgliedern waren die Arbeiterklubs in Großbritannien am Anfang der 1970er-Jahre eine der größten unabhängigen Vereinigungen weltweit. Seitdem haben ein radikaler Wandel in der Freizeitkultur, höhere Mobilität, der Zerfall gesellschaftlicher Gruppen, aber auch gesetzliche Änderungen wie das Rauchverbot zu einem stetigen Rückgang der Mitgliederzahlen geführt. Das Aufkommen der Sozialen Medien hat die Situation weiter verschärft. Heutzutage ist die große Nachfrage nach Klubhäusern mit Interieurs aus den 1970er- und 1980er-Jahren als Kulissen für Fotoshootings und Filme bezeichnend für die Nostalgie um die aus der Zeit gefallenen Institutionen. Dieses kommerzielle Potential, das einige Klubs wie der Bethnal Green Working Men’s Club in East London zu ihrem finanziellen Vorteil genutzt haben, verweist aber zugleich auf Probleme, die durch die Vermischung einer hedonistischen und profitorientierten Kultur mit der gemeinschaftlichen Tradition des sozialen Klubs einhergehen.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts in Großbritannien immer deutlicher wurde, dass die Verelendung der Arbeiterschaft die neue kapitalistische Ordnung ernsthaft gefährden könnte, wurde das soziale Modell der Herrenklubs der Oberschicht auf die Arbeiterklasse übertragen. Arbeiterklubs waren somit zugleich ein Instrument der Kontrolle und der Reform; sie hatten die Aufgabe, in den Worten ihrer bürgerlichen Initiatoren, den „moralischen Niedergang der Gesellschaft“ aufzuhalten. Sie sollten insbesondere den Mangel an öffentlichem Raum für Bildungs- und Freizeitaktivitäten beheben und waren als eine Alternative zu Pubs gedacht, in denen sich nach Meinung der Sozialreformerinnen der Alkoholmissbrauch als sozial destruktiv erwies.
In einem allgemeineren Sinne, das heißt als bauliche Manifestation gemeinschaftlicher Funktionen und Repräsentation, geht die Idee der Arbeiterklubs auf weit ältere kooperative Modelle in Europa zurück, etwa auf jene der mittelalterlichen Zünfte, jedoch mit dem wesentlichen Unterschied, dass bei einer Zunft die Arbeiter vom Besitz ihrer eigenen Produktionsmittel profitierten. Der hohe Grad an fachlicher Spezialisierung in den mittelalterlichen Ökonomien stand der räumlichen Trennung von Wohnen und Arbeiten entgegen. Sowohl Handwerker als auch Kaufleute führten ihre Geschäfte noch in Gebäuden, die Wohnstätte und Werkstatt zugleich waren. Diese räumliche Einheit zerbrach erst nach den Einhegungen der Allmenden, als die Bauern Stück für Stück vom Land vertrieben und zu Lohnarbeiterinnen und Pächtern in den Städten gemacht wurden. Marx war einer der ersten, der darauf hinwies, dass der Kapitalismus nicht nur eine neue Wirtschaftsform geschaffen hatte, sondern auch Produktion und Reproduktion voneinander trennte. Für die Reproduktion von Gesellschaft und Wirtschaft müssen aber sowohl der Kapitalist als auch die Arbeiterin einen Teil ihres Ertrags nutzen, um den Produktionsprozess am Laufen zu halten. Laut Massimo De Angelis geschieht dies durch Commoning und liegt damit außerhalb profitorientierter Motive: „Das Kapital kontrolliert nicht notwendigerweise (oder nur teilweise durch den Staat und das Bildungssystem) die Reproduktion, die für die Commons grundlegend ist.“
Im Idealfall sind Arbeiterklubs selbstorganisierte Einrichtungen, die sich im gemeinschaftlichen Besitz ihrer Mitglieder befinden und in partizipativen Strukturen betrieben werden. „Wenn wir nicht von den neoklassischen Nutzen- und Gewinnmaximierungsfunktionen ausgehen, sondern annehmen, dass Menschen in verschiedenen Kontexten ihren optimalen Weg finden, Güter zu teilen, unabhängig vom Grad der Rivalität und Ausgrenzung, indem sie Kriterien und Maßstäbe anlegen, die nicht nur auf Eigeninteresse beruhen, sondern auch auf der Wertschätzung gegenseitiger Hilfeleistung, Solidarität und Zugewandtheit in verschiedenen Kontexten, dann entspricht die Vorstellung von Klubgütern, die von einer Gruppe von Menschen unterschiedlicher Anzahl geteilt werden, ziemlich genau dem Verständnis von Gemeingütern oder Gemeinwohl, die ich als ein konstitutives Element von Commons- Systemen verstehe.“
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