0
ARCH+ news

Die Verwandlung

In ARCH+ 217 „Get Real!“ beschrieb Olaf Asendorf die Geschichte des Bunkerbaus in Deutschland, der zu Beginn der 1940er Jahre als eine neue städtische Bauaufgabe auf die Agenda von Architekten und Stadtplanern kam. Man bemühte sich dabei, die Hochbunker als eine der letzten verbliebenen Planungsaufgaben im Krieg ins Stadtbild einzupassen. Aus diesem Grund, und zur Tarnung, wurden an den Solitären „Satteldächer, Erker, Gesimse und andere traditionelle Bauelemente, wenn auch freilich nur mit blinden Fenstern“ angedeutet.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Der 1943 an der Ungererstraße in München errichtete Hochbunker, der nun von raumstation Architekten im Auftrag von Euroboden umgebaut wurde (siehe ARCH+ 209), stellte sich in der Straßenperspektive jedoch gar nicht als „rau und betonsichtig“ dar, wie Asendorf die Typologie beschrieb, sondern besitzt eine Natursteinverkleidung und imposante Eckrustizierungen. Gerade diese zivile Anmutung machte es vorstellbar, dieses schwer umnutzbare Gebäude einer Wohnnutzung zuzuführen. Nach dem aufwändigen Umbau bietet der ehemalige Hochbunker nun Raum für drei Wohnungen, ein Penthouse mit Dachterrasse, Büroräume und Ausstellungsräume im Erdgeschoss.

Das Gebäude ist über einen Vorder- und einen Rückeingang betretbar, welche die zwei neuen Funktionen aufzeigen, die der Bunker vereint. Zur Straße hin befindet sich der Eingang zu den Ausstellungsräumen, vor dem eine rote Statue von Tony Cragg mit dem Titel „Discussion“ auf das Konzept und die Idee der neuen Initiative von Euroboden und seines Gründers Stefan F. Höglmaier hinweist: mit Euroboden Positionen eine Plattform für die Auseinandersetzung mit Architektur und Kunst anzubieten, die die Diskussion an der Schnittstelle der beiden Disziplinen anregen soll. Geplant sind zwei bis drei Ausstellungen pro Jahr, die gesellschaftliche und kulturelle Strömungen aufgreifen. Den Auftakt macht die von Gregor Jansen, Direktor der Kunsthalle Düsseldorf, zur Fertigstellung des Umbaus kuratierte Ausstellung LABYR 1. Der Begriff LABYR 1 stammt aus den 1960er Jahren und wurde von Künstlern und Architekten als Wortkombination aus Labor und Labyrinth entwickelt. Auf 200 qm Ausstellungsfläche hat Jansen Werke von acht Künstlern versammelt.

Eine große Herausforderung bestand darin, die Ausstellungsräume im Erdgeschoss natürlich zu belichten. Aus denkmalpflegerischen Gründen durften in den Sockel keine Einschnitte gemacht werden, um das äußere Erscheinungsbild nicht zu verfremden. Die Belichtung des Erdgeschosses musste daher indirekt über das Stockwerk darüber erfolgen, in dem sich die Büroräume befinden. Dazu wurden die Räume intern verbunden. Über große Fassadeneinschnitte im ersten Stock und angeschrägte Fensterlaibungen wird das Licht bis ins untere Erdgeschoss geführt. Der größte der drei Ausstellungsräume ist der alte Sanitärraum, in dem unter anderem ein Leuchtschriftband von Jenny Holzer installiert ist.

Auf der Rückseite des Gebäudes befindet sich eine Außentreppe, die in den ersten Stock führt. Von dort aus werden die Wohnungen in den oberen Geschossen über einen Aufzug und das interne Treppenhaus erschlossen, das weitgehend im Originalzustand erhalten blieb.

Nicht nur im Treppenraum zeigt sich das Konzept, die originale und charakteristische Gestalt des Gebäudes zu thematisieren, und dessen Ästhetik zu betonen. Auch die offenen Untersichten der Betondecken in den Wohnungen tragen hierzu bei. Diese sind brettergeschalt und scheinen sich im neuen Parkett am Boden widerzuspiegeln. Die Wohnungen haben zu jeder Himmelsrichtung einen in die Fassade eingeschnitten Lichtraum erhalten. Allerdings dienen sie nicht nur der Belichtung. Es entstehen auch zusätzliche Nutzflächen mit einem sehr eigenwilligen Charakter, die den Wohnraum erweitern und die Massivität des Baukörpers deutlich spüren lassen, da sie Einschnitte die Stärke der Gebäudewände aufzeigen und einen neuen Zwischenraum im Übergang von innen und außen schaffen.

Die Grundrisse der heutigen Wohnungen sind bis auf eine neue, großzügige Öffnung im Eingangsbereich nicht verändert worden. Sämtliche Armaturen wurden aus Messing geplant, die mit der Zeit neue Gebrauchsspuren in dem historischen Bau aufweisen sollen. Die Ästhetik des Umbaus mit den minimalen Eingriffen und der Kontrastierung von alten und neuen Oberflächen spricht vor allem Architekten, Designer und Kreative an.

Insgesamt wurden bei den Umbaumaßnahmen ca. 2.000 Tonnen Material entfernt. Der Hauptteil hiervon stammt aus den Fassadeneinschnitten und dem Durchbruch durch die massive Decke, auf der nun eine Penthouse-Wohnung aus dem Bunker empor ragt. Einige der ausgeschnittenen Quader liegen zur Ansicht im Vorgarten an der Ungererstraße. Die mit Naturstein verkleidete Fassade wurde im Rahmen der Umbauarbeiten denkmalgerecht saniert. Hierbei wurde der spätere, gelbe Anstrich wieder zurückgeführt auf eine beige Putzfassade. Die eingeschnittenen, raumhohen Öffnungen fügen sich natürlich in das Gesamtbild der Fassade ein.

Die Verwandlung des Baus durch wenige gezielte Eingriffe, die seine Gestalt und Funktion komplett veränderte, ist bemerkenswert. Trotz einer belasteten Vergangenheit kann das Gebäude heute eine neue, zeitgemäße Funktion im Stadtraum aufnehmen.


Clara Welbergen