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The Home Does Not Exist

24. Internationale Biennale Interieur
17. bis 26. Oktober 2014
Kortrijk, Belgien

1972 fand am MoMA die Ausstellung „The New Domestic Landscape“ statt. Sie sollte eine der einflussreichsten Design-Ausstellungen werden. Emilio Ambasz, Kurator der Ausstellung, setzte sich darin kritisch mit der Moderne auseinander. Ihm zu Folge habe die Moderne zu lange daran geglaubt, dass gute Gestaltung die Welt zu einem besseren Ort machen würde. Es sei jedoch offensichtlich, dass gutes Design allein weder zur Lösung jener Probleme beiträgt, die mit den Produktionsbedingungen zusammenhängen, noch jener, die aus seinem Gebrauch erwachsen.

Ambasz war einer der ersten, der erkannte, dass Design längst die engen Grenzen des Kunsthandwerks hinter sich gelassen hat. Es ist eine Sprache geworden, die eine Haltung zur Welt zum Ausdruck bringt und die Wirklichkeit kommentiert. Die präsentierten italienischen Designer haben längst die Sphäre des Objektdesigns verlassen und denken bereits in raumgreifenden Environments. Design beschäftigt sich in dem Sinne mit existentiellen Problemen, indem es die sich verändernden Lebensmuster der zeitgenössischen Gesellschaft, den Einsatz neuer Materialien und die Kommunikationsmittel des heraufziehenden multimedialen Zeitalters untersucht.

Interessanterweise wurde nur wenige Jahre zuvor in Kortrijk die Biennale Interieur „als eine Plattform gegründet, die sich der Verwirklichung der letzten Phase des modernistischen Projekts verschrieb“, wie Joseph Grima in seinem Statement zum Kulturprogramm der diesjährigen Biennale Interieur schreibt. Während anderswo die Moderne schon in Rückzugsgefechte verwickelt war, wurde hier in Kortrijk die Modernisierung des europäischen Heims noch einmal als Ziel ausgegeben. Dieser Anachronismus zeigt sich auch daran, dass während Ambasz in New York das Mainstream-Publikum verzückte und die modernistischen Designer schockierte, die Konstellation in Kortrijk umgekehrt war: „Die erste Edition im Jahr 1968 suchte in ihrer Gestaltung bewusst die Besucher zu schockieren und hielt dem konservativen Geschmack die avantgardistischen Möglichkeiten der Branche entgegen.“ (Joseph Grima)

Als Kurator des Kulturprogramms der diesjährigen Biennale Interieur macht sich Grima daran, anhand der Ausstellung „SQM: The Quantified Home“ die Veränderungen der letzten Jahrzehnte im häuslichen Umfeld aufzuzeigen. Wie sieht das Zuhause für die Generation der Digital Natives aus, die Besitz eher als Last empfinden. Folgerichtig stellt Grima eine provokante Frage in den Mittelpunkt seiner Untersuchung: „Was, wenn die derzeitige Krise der Designindustrie nicht nur ein Produkt der allgemeinen ökonomischen Krise, sondern die Folge eines Strukturwandels ist, der wegführt von dem, was wir bisher als Zuhause bezeichneten? Könnte es sein, dass dieses Zuhause nicht existiert?“

Für das umfangreiche Kulturprogramm siehe:
www.interieur.be