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ARCH+ Projekt

Discuss: Can Design Change Society?

Kann Gestaltung Gesellschaft verändern? Was meinen Sie? Wir haben einige Referenten des Symposiums gebeten, ein Statement zum Thema abzugeben, um die Diskussion in Gang zu bringen. Schreiben Sie uns auf Deutsch oder Englisch.

Can design change society? What do you think? We've asked participants of the symposium to make short statements to start the discussion. Please tell us your opion in English or German.
 

Gerda Breuer

Es ist nicht die Frage, ob Gestaltung Gesellschaft verändern kann, Gestaltung muss in eine sich rasant verändernde Welt eingreifen, soll diese nicht über die Köpfe der Menschen hinweggehen. Gestaltet wird so oder so, von wem und wie auch immer. Wir hinken ohnehin einem wilden Erfindungs- und Produktionsüberschuss hinterher. Intellektuell und emotional muss er Menschen dienlich und gerecht gemacht werden. Das ist zu Bauhaus-Zeiten nicht anders gewesen als heute. Das Verdienst dieser Avantgarde bestand in erster Linie darin, symbolische Objekte, die hochgradig kommunikativ, reflexiv und emanzipativ waren, für eine neue Zeit zu schaffen, Gestaltung in großen Zusammenhängen zu sehen und projektiv auf eine menschengerechte Zukunft hin zu entwerfen. Gestaltung ist Reflexion, der Versuch, Visionen visuell zu kommunizieren. Direkt übertragbar auf heutige Zeit ist fast keine Lösung des Bauhauses, aber unter neuen Parametern ist seine grundsätzliche Haltung nach wie vor geltend.

 

Heinz Bude

Mit dem iPhone ist der Beweis erbracht, dass Gestaltung Gesellschaft verändert. Der Handschmeichler mit der Oberflächenintelligenz nach der Designquelle von Dieter Rams hat weltweit die Praktiken der informationellen Vernetzung, die Daumentätigkeit und die Gewohnheiten nach dem Aufstehen verändert. Zudem ist es zum Marker einer neuen Form sozialer Ungleichheit zwischen den digital natives und den digital immigrants geworden. Diese Ungleichheit ist deshalb neu, weil sie die klassischen Formen vertikaler sozialer Ungleichheit nach Einkommen, Bildung und Beruf kreuzt und unterläuft, aber auch bekräftigt und zementiert. Man muss daher nach effektiven Praktiken fragen, wenn man die Frage stellt, ob Gestaltung die Gesellschaft verändern kann. Praktiken dehnen sich „wild“ aus und können von den Gestaltern kaum kontrolliert werden, weshalb Gestaltung ihre pädagogische Asymmetrie einbüßt. Vielleicht sollte man sich Jacques Rancières Idee des unwissenden Lehrmeisters als Modell nehmen, um ein normativ gehaltvolles Denken über die gesellschaftsverändernde Bedeutung von Gestaltung zu inspirieren.

 

Reinhold Martin

Like others, including lawyers, doctors, social workers, engineers, artists, writers, planners, politicians, bankers, managers, clergy, etc., architects and designers produce “society” as a field of knowledge and activity, every day. Society as such does not pre-exist their work. The question, then, is not whether their work changes society, but how, in their work, they care for, administer, and “design” it, in what direction they guide it, in the interest of what powers, what rulers, and what assemblages they produce it.

 

Christoph Schäfer (Planbude)

Im Zeitalter der potentiell anbrechenden Massenkreativität sind die omnipotenten Gestalter der historischen Avantgarden nur noch Fetisch und Museumsstück. Der ihren Phantasien zugrunde liegenden, idealistischen Philosophie setzte Baruch de Spinoza im 17. Jahrhundert eine materialistische Auffassung von (Gestaltungs-)Macht entgegen, die aus der Zusammenarbeit der Vielen entspringt. Interessanterweise entwickelt Spinoza seine gesamte Ethik aus dieser Macht, diesem weltverändernden Vermögen der Multitude. Für "Gestalter" im engeren Sinne bedeutet die Untrennbarkeit von Ethik und Gestaltungsmacht eine neue Handlungsagenda – in der Gestaltung von selbstorganisierten Plattformen, autonomen Projekten und kollektiven Prozessen der Vielen.

 

Lara Shrijver

“Can design change society?” The question itself sets design apart from society, as the ‘divine hand’ that may or may not have an impact. Can design change society? Yes of course it can – it is part of society, it intervenes in everyday life. It forms and situates long-term habits of dwelling, gathering, working, reflecting. And yet, as long as we continue to position design and society at odds, not as part of the same overall human and natural fabric of the world we live in, we risk devaluing both.

 

Luigi Snozzi

„Architektur ist Leere, es liegt an Dir, sie zu definieren.“ Wenn dieser Aphorismus für die historische Stadt verständlich ist (es genügt an die Plätze, an die Straßen, an die Wege zu denken, die von den Gebäuden des historischen Zentrums definiert waren), scheint es aber schwerer verständlich für die heutige, zersiedelte Stadt, da der leere Raum zwischen den Gebäuden zu oft ein sinnloser Rest ist. Das ist der Grund, weshalb sich die heutigen Architekten auf ihr Objekt zurückziehen, und in Abwesenheit eines sinnvollen Kontextes, wie in der Altstadt, versuchen sie durch forcierte formale Erfindungen, durch die größtmögliche Originalität, ein Monument zu kreieren. Aber durch das Fehlen eines sinnvollen Kontext, wie in der historischen Stadt, kann das Resultat nicht anders sein als eine Summe einzelner Bauten, die nichts anders erreichen als die Monotonie der heutigen Stadt zu erhöhen. So fühlte ich mich gezwungen mein Aphorismus zu ändern: das neue heißt: „ARCHITEKTUR IST LEERE, ES LIEGT AN DIR, SIE ZU DEFINIEREN.“ Diesmal mit Großbuchstaben geschrieben. Nach meinen letzten Projekten ist er noch stärker geworden.

 

Wolfgang Ullrich

„Was bleibet aber, stiften die Dichter“. So heißt es bei Hölderlin – und man könnte anfügen: „Was sich verändert, stiften die Designer“. Aber ganz so einfach ist es nicht. Vielmehr sind die Gemeinsamkeiten zwischen Dichtern und Designern größer als die Unterschiede. Beide interpretieren Tätigkeiten und Situationen, beide sorgen für Vielfalt und Differenzen. Sie machen die Wirklichkeit wirklicher allein durch die Art und Weise, wie sie Aufmerksamkeit regulieren, nur dass die einen dies mit Worten tun, die anderen mit Dingen. Es ist an der Zeit, Designer als die wichtigsten Dichter einer Gesellschaft anzuerkennen, die sich mehr als frühere Gesellschaften über Dinge, über Konsum, Marktforschung und Marketing bestimmt.

 

Boris Groys

Man kann die Welt ästhetisieren und gleichzeitig in ihr handeln? Ja, totale Ästhetisierung blockiert politisches Handeln nicht, sondern sie erweitert es. Totale Ästhetisierung bedeutet, dass wir unsere Epoche als schon tot, den Status quo als aufgehoben betrachten. Es bedeutet weiter, dass jede Aktion, die auf Stabilisierung des Status quo zielt, letztlich fruchtlos – und jede Aktion, die auf Zerstörung des Status quo zielt, letztlich erfolgreich sein wird. Totale Ästhetisierung schließt eine erfolgreiche politische Aktion also nicht nur nicht aus, sondern sie eröffnet ihr einen äußersten Horizont, sofern sie – die politische Aktion – eine revolutionäre Perspektive hat.

 

Leoneore Bonaccini (Bureau d'Etudes)

How design practices by non human species such as algorithms, xenobiologic productions … change human societies?
Does the ways of social modelization practiced by objects change human societies with other aims than human ones ?

 

Christian Salewski

Kann Gestaltung Gesellschaft verändern? Oder: Können Gestalter und Gestalterinnen Gesellschaft verändern? Die Antwort ist eindeutig: sie können – die Frage ist lediglich, wie. Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt, dass die Effekte von Gestaltung oft unvorhergesehen waren, dass Gestaltung anders als erwartet wirkte und dass sich die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Werte und Ziele oft schneller veränderten, als die Gestaltung des Lebensraums zur Umsetzung brauchte.