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Veranstaltungsreihe: What does it mean: RECYCLING?

Freitag, 9.12.2016, 19 Uhr, Vortrag von Georg Friedrich Wolf:
„Shipsoul“: Die Reise zum Kreislauf der Dinge ins indische Alang
Werkbund Galerie, Goethestr. 18, 10623 Berlin-Charlottenburg
 

Begrüßung und Diskussionsleitung: Karin Wilhelm, Werkbund Berlin

Im Januar 2016 ließen der bei Darmstadt ansässige Stahlbildhauer Georg Friedrich Wolf und der indische Maler Ratnadeep Gopal Adivrekar eine rund sechs Meter hohe Skulptur in den indischen Himmel wachsen. Ihre drei Tonnen schwere, bemalte Eisenplastik trägt den Titel „Shipsoul”. Wolf und Ratnadeep verwendeten für ihr Objekt ausschließlich Stahlschrott der riesigen Schiffe, die auf den Abwrackstränden des Zentrums der weltweiten Schiffsverschrottung im indischen Alang zerlegt werden (2012 u.a. der berüchtigte Öltanker Exxon Valdez ). Mit der Entstehung des Projektes hat Wolf während der knapp 4-wöchigen Aktion Wiederverwertungspraktiken gesehen und erlebt, die seine Vorstellungen weit übertrafen. Denn alles was vom zerschnittenen Schiffskörper in einigermaßen gerade und saubere Segmente geteilt werden kann, wird hier sofort als Halbzeug wieder auf den einheimischen Stahlmarkt gebracht und in Schlosserarbeiten zu LKW-Aufbauten, Rikschas, oder Treppen und Zäunen verbaut. Auch der anfallende Schrott, der gebogen, krumm, verschweißt oder geborsten ist, wandert in die Stahlwerke der Welt und wird dort zu neuem, frischem Stahl verarbeitet. Dieser neue Stahl ist von bester Qualität, seine Materialeigenschaften unterscheiden sich durch nichts von neu erschmolzenem Erz. So kann Schrott zum Weltmarktpreis rund um den Globus gehandelt und verwertet werden.

Diese Prozesse hat Wolf in einer umfangreichen Fotodokumentation und einem Film festgehalten und präsentiert damit eine einmalige Serie dieser Abwrack- und Wiederverwertungsindustrie.

Indien ist das Land des rückstandslosen Recycling. Nichts, gar nichts, wird weggeworfen, alles wird gesammelt, zerlegt, getrennt und sortiert, keine noch so kleine Schraube bleibt zurück. Später findet man diese „Reste“ in Geschäftseinrichtungen, im Hotelmobiliar oder Küchenausstattungen wieder. Dieses System durchzieht den ganzen Subkontinent und ist auf jede Art von Ware und Werk anwendbar. Es ist zu bezweifeln, dass dieses System auf unsere Gesellschaft übertragbar wäre. Es fehlen uns die Heere von Arbeit suchenden Menschen, die hier als Sammler, Sortierer oder Händler mit großem Erfindungsgeist derartige „Müll zu Material“ transformierende Handelsketten aufbauen wollten. Schließlich ist unsere Lust auf saubere, blanke und blinkend neue Ware zu ausgeprägt, um Recyclingprozesse dieser Art in unser Alltagsleben zu integrieren. Aber was ließe sich aus dieser Kultur der Wiederverwendung lernen? Fehlt uns nur die Not um diesen Bedarf zu wecken? Oder sind dies kreative Prozesse, die auch in unserer postindustriellen Gesellschaft greifen könnten?

www.werkbund-berlin.de