Hier und da steht in den Ausstellungsräumen auch eine Skulptur, eine Plastik, hängt ein Ölgemälde oder Aquarell, deren Reproduktion Mies in den Collagen verwendete, dazu zählen Arbeiten von Wassily Kandinsky, El Lissitzky, Paul Klee, Wilhelm Lehmbruck, Hannah Höch, Kurt Schwitters, László Moholy-Nagy, Theo van Doesburg, Alexander Rodtschenko, Hans Richter, Viking Eggeling, Alfred Stieglitz. Der Betrachter kann dadurch beliebig zwischen der künstlichen Welt der Collage und der wirklichen Welt der Ausstellung hin und her springen. Merkwürdig ist, dass die Originale verhältnismäßig klein sind, sie jedoch in den Collagen zu einer enormen, wand- oder gar raumfüllenden Größe aufgeblasen scheinen.
In die Ausstellung mischen sich auch Arbeiten von Thomas Ruff, Mischa Kuball, Sarah Morris, Julia Weißenberg, Christian Odzuck sowie Iñigo Manglano-Ovalle und zeigen deren Umgang mit dem Werk Mies van der Rohes. Ganz nebenbei fällt auch eine kleine Fotomontage für das Berliner Sporthaus S. Adam auf. Der Sohn des Besitzers entwarf später als Ken Adam die bekannten Filmarchitekturen für die James Bond-Filme und bediente sich gewissermaßen auch einer Collagetechnik, indem er mit Folien Oberflächen vortäuschte, die über Film, also Bilder, erst echt wirken.[4]
Mies überall
Ein vor Ort käuflicher Bastelbogen ermöglicht, die Mies-Collagen nachzuahmen. Fragwürdig ist, ob Mies wirklich selbst zu Furnier, Folie, Papier, Stift, Schere, Skalpell und Klebstoff griff, die Montagen und Collagen selbst fertigte oder nicht doch ein dienstbarer Geist. Ist hier also wirklich Mies in Aachen?
Das wäre eine Frage an die Wissenschaftler auf dem dortigen, von Lutz Robbers (Jade Hochschule Oldenburg) konzipierten Symposium Collage/Montage. Ludwig Mies van der Rohe und die Bildlichkeit der Architektur (2. und 3. Dezember 2016). Vier Sektionen „Kontexte, Bildkulturen, Bildtechniken“, „Blick, Sichtbarkeit, Bildlichkeit“, „Fallstudien“ und „Montage, Architektur, Media“ diskutieren, ob diese künstlichen, literarischen oder cineastischen Welten, welche die Montagen und Collagen aus dem Atelier Mies van der Rohe zeigen, in Architektur übertragbar sind, ob also so etwas wie Wirklichkeit daraus werden kann, sie also baubar sind, und ob es eine architektonische, eine spezielle Bildlichkeit ist.
Neben Beiträgen von Sabine Kriebel vom University College Cork, Lutz Robbers, Andreas Marx mit Paul Weber und Wolf Tegethoff vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, wirft Edward Dimendberg von der University of California (Irvine) die Frage auf, warum Mies keine Filme gemacht hat.
Dietrich Neumann von der Brown University in Providence bringt etwas Ordnung in die ganzen Fotomontagen, zeigt die tatsächlichen Größenverhältnisse auf und ordnet sie in ihr zeitliches Umfeld ein. Eine Fotomontage zeigt den Barcelona Pavillon aus Ziegeln gebaut und stellt damit die Relevanz der Textur ein wenig in Frage.
Pablo Gallego Picard von der Universidad de A Coruña entzaubert die bekannten Fotomontagen der Hochhausprojekte an der Friedrichstraße, indem er den analogen Blick mit digitalen Perspektiven aus Computermodellen überlagert und so Abweichungen von Simulation und möglicher Wirklichkeit aufzeigt – digital entlarvt analog.