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2019 jährt sich die Gründung des Bauhauses zum hundertsten Mal. Alle Welt hat sich zu seiner Aktualisierung verbündet, doch jegliche Wiederbelebungsversuche sind zum Scheitern verurteilt. Es war visionär, und dennoch in seiner Zeit verhaftet. projekt bauhaus unternimmt eine kritische Inventur und legt angelehnt an dessen Methoden in einem „Vorkurs“ (2017) und einer „Werkstatt“ (2018) die inneren Widersprüche der westlichen Fortschrittsidee offen. Wie lässt sich unser Verständnis von Technik dekolonisieren? Wie können wir eine andere Vorstellung von Fortschritt und Erneuerung entwickeln und propagieren? Und wie kann dennoch mit Gestaltung Gesellschaft und Alltag verändert werden? Es ist an der Zeit, Abschied vom Bauhaus zu nehmen. Im Jubiläumsjahr wird es in einer Produktion in der Volksbühne in Berlin zu Grabe getragen. Doch wie „beerdigt“ man eine untote Denkfigur?
PROGRAMM
Das Bauhaus strebte nach einer Synthese der verschiedenen Wissensformen, bei der technisches, naturwissenschaftliches, emotionales oder kreatives Wissen zusammengeführt wird. Verbunden mit diesem Wissenskonzept war eine neue Pädagogik, die den Menschen frei machen und sein Potenzial fördern sollte, um so zur Schaffung eines „Neuen Menschen“ beizutragen. Welche Orte ermöglichen Kreativität und Innovation? Welche Wissensstätten braucht die heutige Gesellschaft? Repräsentieren moderne Computer-, Internet- und Medienfirmen das Bauhaus des 21. Jahrhunderts?
SAMSTAG, 2. DEZEMBER 2017
12:00 – 12:30 Uhr
BEGRÜßUNG UND EINFÜHRUNG
Anh-Linh Ngo und Philipp Oswalt, projekt bauhaus
Hortensia Völckers, Kulturstiftung des Bundes
Heike Catherina Mertens, Schering Stiftung
Thomas Krüger, Bundeszentrale für politische Bildung
12:30 – 13:30 Uhr
KEYNOTE
Der Neue Mensch: Vom Bauhaus zum Silicon Valley
Fred Turner, Professor und Chair of Communication, Stanford University
1929, nur ein Jahrzehnt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, erklärte László Moholy-Nagy der Leserschaft seines Buchs „von material zu architektur“: „die zukunft braucht den ganzen menschen“. Dieser „Neue Mensch“ sollte – idealerweise am Bauhaus – in den Künsten Zeichnung, Skulptur, Fotografie und Architektur ausgebildet werden und durch seine Sozialisierung zu der Überzeugung kommen, dass Leben und Arbeiten in einer idealen Gemeinschaft eine Einheit bilden können.
Heute, fast hundert Jahr später, ist der Bauhaus-Traum vom Neuen Menschen immer noch lebendig – im Silicon Valley. Der Vortrag beschäftigt sich mit dem Wandel modernistischer Vorstellungen vom Neuen Menschen und mit der Nachhaltigkeit des Bauhaus-Glaubens an Medien, Technologien und das Selbst als nützliche Motoren des gesellschaftlichen Wandels – vom Bauhaus und Black Mountain College über die Gegenkultur der 1960er-Jahre bis zur Facebook-Fabriketage in Menlo, Kalifornien.
Moderation: Claudia Mareis, Professorin für Designtheorie und -forschung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Basel
13:30 – 14:30 Uhr
MITTAGSPAUSE
14:30 – 17:00 Uhr
WISSENSTECHNOLOGIEN
Das Bauhaus befasste sich mit der Gestaltung des Übergangs von der handwerklichen zur industriellen Produktion, der Entfaltung des „Ersten Maschinenzeitalters“ (Reyner Banham), einer fordistischen Industrialisierung und der damit verbundenen Konsumgesellschaft. Gropius’ Parole von „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ war gleichzeitig Krisendiagnose und Zukunftsversprechen. Heute erleben wir die Entfaltung des „Zweiten Maschinenzeitalters“ (Martin Pawley), den Abschluss des Übergangs vom Analogen zum Digitalen, vom Physischen zum Virtuellen, von Konsum zu Koproduktion. Wie fordert gegenwärtig Technik Gestaltung heraus? Wie lässt sich Technik gestalten? Oder müssen wir nicht eher umgekehrt fragen: Wie gestaltet Technik?
14:30 – 14:50 Uhr
Morehshin Allahyari, Künstlerin, Aktivistin und Kuratorin, New York
14:50 – 15:10 Uhr
Denisa Kera, Philosophin und Designerin, Tel Aviv
15:10 – 15:30 Uhr
Shaina Anand, Mitglied des Künstlerkollektivs CAMP, Mumbai
15:30 – 15:50 Uhr
Orit Halpern, Associate Professor, Department for Sociology and Anthropology, London Concordia University, Montréal
15:50 – 17:00 Uhr
Roundtable mit den Referenten und
Jesko Fezer, Architekt und Professor für Experimentelles Design, Hochschule für Bildende Künste Hamburg
Bernd Scherer, Philosoph, Autor, und Direktor des Haus der Kulturen der Welt, Berlin
Georg Vrachliotis, Professor für Architekturtheorie und Leiter des Südwestdeutschen Archivs für Architektur und Ingenieurbau am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Moderation: Claudia Mareis, Professorin für Designtheorie und -forschung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Basel
17:30 – 20:00 Uhr
WISSENSRÄUME
Als Reaktion auf die Anforderungen der Industrie entwickelte das Bauhaus Produktionsräume, um den Entwurfsprozess zu demokratisieren; es förderte Wissen und Fertigkeiten, die auf Erfahrung beruhten, und erleichterte den Austausch zwischen den Disziplinen. Zugleich führten diese Räume zu einer Professionalisierung der Gestaltungslehre, die mit den Idealen der Moderne in Einklang stand. Mit der zunehmenden Kommerzialisierung der Kultur und dem Aufstieg des Kognitiven Kapitalismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden Design, Kreativität und experimentelle Herangehensweisen in neuen interdisziplinären Produktionsräumen wieder populär. Auf welche Weise fördern diese Räume eine aktualisierte Version des „Neuen Menschen“? Welche räumlichen Qualitäten bieten diese neuen Wissensräume? Was sagen sie uns über die Zunft der Wissensproduktion und des Austausches von Wissen, in digitaler und materieller Hinsicht?
17:40 – 18:00 Uhr
Reinier de Graaf, Architekt, Partner bei OMA, Rotterdam
18:00 – 18:20 Uhr
Henrike Rabe, Architektin, Researcher am Interdisziplinären Labor der Humboldt-Universität, Berlin
18:20 – 18:40 Uhr
Paloma Strelitz, Architektin, Mitglied des Kollektivs Assemble, London
18:40 – 19:00 Uhr
Jussi Parikka (What is a Media Lab?), Autor, Medientheoretiker und Professor in Technological Culture and Aesthetics, Winchester School of Art, Southampton, UK
19:00 – 20:00 Uhr
Roundtable mit den Referenten und
Bianca Elzenbaumer und Fabio Franz (Brave New Alps), Designerkollektiv, Trentino
Joachim Krausse, Designtheoretiker, Berlin
Philipp Oswalt, Architekt und Professor für Architekturtheorie und Entwerfen an der Universität Kassel
Joanne Pouzenc, Architektin und Kuratorin, Berlin
Moderation: Armen Avanessian, Philosoph, Literaturwissenschaftler und politischer Theoretiker, Berlin
20:30 – 21:30 Uhr
SCHLUSSPANEL GESTALTET VON BRAVE NEW ALPS
Brave New Alps produziert Designprojekte, die Menschen zum Überdenken von sozialen, politischen und ökologischen Themen einladen. Durch die Kombination von Design-Research-Methoden mit Ansätzen radikaler Pädagogik, Konfliktmediation und Do-it-yourself-Techniken werden Projekte realisiert, welche die Form von pädagogischen Räumen, Publikationen und urbanen Interventionen annehmen. Brave New Alps transformiert den Theatersaal des Hauses der Kulturen der Welt in ein räumliches Experiment für einen informellen Wissensaustausch und lädt die Podiumsteilnehmer und das Publikum dazu ein, in einem geselligen Rahmen über die zentralen Themen des Tages nachzudenken.
PRAKTISCHE INFORMATIONEN
Eintritt:
Regulär: 8 Euro
Ermäßigt: 5 Euro
Zum Ticketvorverkauf
Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.
Weitere Informationen unter projektbauhaus.de.