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Une grande nation?

In ARCH+ 225 Legislating Architecture – Gesetze gestalten! setzt sich Wolfgang Scheppe intensiv mit der legislativen Erfindung des Stadtbildes in Paris am Beispiel der Entwicklung des Marais auseinander. Sein Fazit: „Im vollendeten Zirkel, den die historische Altstadt als Austragungsort von Bilderwartungen hervorbringt, sind die Fenster in den Fassaden zu Schaufenstern des Repräsentativen geworden, die in beiden Richtungen nur noch Zeigehandlungen zugute kommen: Das Innen und Außen des Stadtbildes stehen sich in Erwartung des spectateur wie auf der Doppelseite eines aufgeschlagenen Touristikkatalogs als ikonische Konstruktionen gegenüber, deren Bedeutung ihnen nur über Fiktionalisierungen zuwächst, wie sie im Interesse der Vermarktung dessen veranstaltet wird, was die klassische Nationalökonomie die Grundrente nannte. Das Leben ist aus diesem Bühnenbild gänzlich entwichen.“

Im aktuellen Kulturaustausch mit dem Titel Une Grande Nation – eine Ausgabe über unser Nachbarland Frankreich – setzt sich der Philosoph Tristan Garcia mit derselben Thematik auseinander und findet deutliche Worte: „Paris ist tot, ein Museum, eine falsche Stadt, voll von Touristen und erfolgreichen Menschen.“ In der ebenfalls im Kulturaustausch erschienenen Fotostrecke Reise an die Peripherie zeigt Cyrus Cornut französische Vorstadtsiedlungen. Und die am 17. November eröffnende Ausstellung ARCH+ Displays – Concrete Utopias wimdet den Grands Ensembles als Ausdruck eines damaligen Aufbruchs gleich zwei Videoarbeiten.

Der Kulturaustausch beleuchtet Frankreich aus verschiedenen Perspektiven und stellt die These auf: Es sucht seinen Weg zwischen alter Glorie und jungem Aufbruchsgeist. Die entscheidende Frage ist: Kann sich unser Nachbarland trotz hoher Arbeitslosigkeit, Terrorgefahr und gescheiterter Integrationspolitik neu definieren? Internationale Autorinnen und Autoren geben Antworten:

Über den Frust der „Grande Nation“, die in Europa und gegenüber Deutschland an Bedeutung verloren hat, schreibt die Politologin Ulrike Guérot. Der Philosoph Tristan Garcia spricht im Interview über den Laizismus als Frankreichs „letzte Wunde“ und über das noch immer alles verbindende Mittel: die französische Sprache. Der Demograf Emmanuel Todd analysiert die französischen Wähler und den Präsidenten Emmanuel Macron. Die Schriftstellerin Shumona Sinha schildert die Wege einer bengalischen Einwanderin in Frankreich – und wie sie selbst ein Zuhause in der Sprache fand. Und fünf Französinnen und Franzosen schildern ihre Sicht auf die Lage der Nation.

Neben dem Schwerpunktthema widmet sich Kulturaustausch Themen aus aller Welt:

Wann man in Frankreich „gelb lacht“ oder „im Joghurt strampelt“
Kulturort: die Felsenkirchen von Lalibela, Äthiopien
Israel entdeckt die Musik der Levante
Wie Hongkong seine kulturelle Identität zu modernisieren versucht
John Burnside über die Abkehr vom Auto
Christiane Lammers kommentiert die neuen Leitlinien der Bundesregierung zur Konfliktbewältigung


Über KULTURAUSTAUSCH – Zeitschrift für internationale Perspektiven

Seit 1951 erscheint das Magazin vierteljährlich. Es wird vom ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) zusammen mit dem ConBrio-Verlag herausgegeben.

Über ifa (Institut für Auslandsbeziehungen)
Das ifa ist die älteste deutsche Mittlerorganisation. Es engagiert sich weltweit für ein friedliches und bereicherndes Zusammenleben von Menschen und Kulturen.
2017 feiert das ifa sein 100-jähriges Bestehen. www.ifa.de/100
Im Mittelpunkt des Jubiläumsjahres steht das Thema „Kulturen des Wir“. www.kulturen-des-wir.de