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Diskussion über Ezra-Pound-Zitat am Walter-Benjamin-Platz in Berlin wird fortgeführt

Nach wie vor hält sie an, die Debatte um das antisemitisch konnotierte Ezra-Pound-Zitat, das der Berliner Architekt Hans Kollhoff 2001 auf dem von ihm entworfenen Walter-Benjamin-Platz in Berlin-Charlottenburg anbringen ließ – und nun gibt es auch erste politische Konsequenzen. Denn letzte Woche beschloss die Bezirksversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf einen von den Grünen, den Linken und der SPD initiierten Antrag, mit dem die Entfernung des Zitats gefordert wird. Die AfD stimmte gegen den Antrag, CDU und FDP enthielten sich.

Die Debatte begann im Mai 2019 mit dem Erscheinen der ARCH+ 235 Rechte Räume – Bericht einer Europareise, die in Kooperation mit dem Institut für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGmA) der Universität Stuttgart erarbeitet wurde. Darin hat die Architekturtheoretikerin Verena Hartbaum (IGmA) den antisemitischen Hintergrund des Pound-Zitats dargelegt (Zum Artikel). Es entstammt den 1936 erschienen Usura-Cantos und lautet: „Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein / die Quadern wohlbehauen, fugenrecht, / dass die Stirnfläche sich zum Muster gliedert“. Bei Pound steht das Codewort „Usura“ (Wucher) für „die Juden“ beziehungsweise das „zinstreibende Judentum“, denen im Werk des Dichters die Schuld an allem möglichen Übel der Welt zugeschoben wird, nicht zuletzt – wie mit der von Kollhoff verwendeten Passage geschehen – eben auch die Schuld an schlechter Architektur ohne „guten Werkstein“.

Wie der Berliner Tagesspiegel (Zum Artikel) und die Welt (Zum Artikel) berichten, sehen derzeit Eigentümer und Architekt „keinen Handlungsbedarf“, am Status quo etwas zu ändern. Da der Platz zwar öffentlich gewidmet ist, aber sich in Privatbesitz befindet, braucht es nun wohl vor allem zivilgesellschaftliches Engagement, damit Architekt und Eigentümer der politischen Forderung der Bezirksverordnetenversammlung Folge leisten. Auffällig ist, dass die Welt nach anfänglich massiver Kritik an ARCH+ nun bereits zum zweiten Mal sehr differenziert darüber berichtet. Marcus Woeller schreibt: "Bei Blackstone (dem Eigentümer, Anm. d. Red.) ist man jedenfalls inzwischen nervös geworden, droht die Debatte doch nun, da sie in der Politik angekommen ist, auch ihrer „Core Plus“-Immobilie Schaden zuzufügen – auf dem Deckblatt des Jahresberichts von 2018 prangt immerhin ein Foto der Leibniz-Kolonnaden. Auf Nachfrage reagiert Blackstone zurückhaltend, man müsse noch rechtlich prüfen, ob der Beschluss der Berliner Politik Geltung für den Privateigentümer der Liegenschaft habe."

Vor diesem Hintergrund stellt ARCH+ zwei aktuelle Beiträge kostenlos online zur Verfügung:
– zum einen eine Studie Marc Priewes zu Kontext, Bedeutung und Übersetzung des Ezra-Pound-Zitates; Priewe ist Professor für Amerikanistik und Neuere Englische Literatur am Institut für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart;
– zum anderen Annika Wienerts Ausführungen zur symbolischen Gewalt an Juden und Jüdinnen, welche sowohl die implizite öffentliche Ehrung des Antisemiten und überzeugten Faschisten Ezra Pound, als auch die schiere Präsenz einer antisemitischen Aussage im öffentlichen Raum darstellt; Wienert ist Kunsthistorikerin und forscht am Deutschen Historischen Institut Warschau.

Die beiden Beiträge entstammen dem gemeinsam mit dem IGmA herausgegeben ARCH+ features Rechte Räume – Reaktionen, die Teil der aktuellen ARCH+ 237 Nikolaus Kuhnert – Eine architektonische Selbstbiografie ist.

Anh-Linh Ngo 
Herausgaber der ARCH+ 

Prof. Dr. Stephan Trüby
Direktor des IGmA der Universität Stuttgart