… … … da war er wieder! Der Roomscraper. Jener aufgerichtete Zeigefinger mit dem rot lackierten Fingernagel einer „Dame“, der leicht schwankend von einem PVC-Zylinder umhüllt die Leichtigkeit des Körperlichen insinuiert und dabei mit seinem Namen gleichsam als Fingerzeig auf die Aktion zur Raumerkundung hinweist. 1969 für die Ausstellung Vanille Zukunft in Wien entwickelt, war dieses Objekt zu Beginn des Jahres jetzt im Ladenlokal der Galerie am Rosa Luxemburg Platz wieder zu sehen. Zurückgekehrt war dieses Exemplar eines „Raumschabers“ aus Anlass der Buchvorstellung „Luftschlosser. Ein Blick auf Haus-Rucker-Co / Post-Haus-Rucker“, das der Mitbegründer dieser legendären österreichischen Architekten- und Künstlergruppe Günter Zamp Kelp soeben veröffentlicht hat und damit im Rückblick auf viele Arbeiten und Aktionen dieser Gruppe einen ungemein lesenswerten Einblick in die eigene künstlerisch-konzeptionelle Arbeit gibt. Die Rückwand des schmalen Berliner Galerieraums, in dem der „Luftschlosser“ Zamp Kelp das mit Ludwig Engel herausgegebene Buch in einer kurzen Lesung im März vorstellte, zierte ein Vorhang mit der digitalen Vergrößerung einer jener beeindruckenden Collagen, die die 1967 in Wien gegründeten Haus-Rucker in den Jahren bis zu der endgültigen Auflösung der Arbeitsgemeinschaft im Jahre 1992 so zahlreich erzählerisch gestaltet haben. (Ab 1967 Laurids Ortner/Günter Zamp Kelp/Klaus Pinter; seit 1972 Laurids Ortner/Manfred Ortner/Günter Zamp Kelp)
Zu sehen war hier noch einmal das Palmtree Island – jene ballonartige, durchscheinende Einhüllung einer mediterranen Idealnatur als Sehnsuchtslandschaft – deren Gefährdung eben in der künstlich-räumlichen Umhüllung ungemein anschaulich auf einen wesentlichen Aspekt in der Arbeit der Haus-Rucker hinwies: die intellektuell-künstlerische Befragung der Architektur als Raumkunst in Zeiten des Klimawandels und der forcierten Naturzerstörung. So verhieß das Zusammenspiel der Palmtree Island Collage mit dem sanft wiegenden Roomscraper schon während der Buchvorstellung ein Lesevergnügen, das die gängigen Werksmonografien von Architekten eher selten einzulösen vermögen.
Mit solchen Fingerzeigen auf das Themenfeld dieser Publikation schwingt dann im Obertitel des Buches Luftschlosser eine ironisch subversive Komponente mit, die das Architektur-Denken Zamp Kelps stets begleitet hat. Seit den 1960er-Jahren hatten die Haus-Rucker ihre Professionalisierung im Umfeld der Universitäten zu hinterfragen begonnen und ihr Berufsbild vom Selbstbild des pragmatisch realitätstüchtigen auf Beständigkeit hin orientierten Baumeisters programmatisch emanzipiert. An seine Stelle trat jetzt der Architekt als Konzeptkünstler, der zunächst kein Bauwerk aus Stein, Beton oder Holz entwickelt, sondern Architekturhüllen, die als temporär konzipierte Artefakte neue Erlebnisräume definieren. Dass diese leichten durch Innendruck getragenen PVC-Hüllen nach Prinzipien der Montageverfahren zu entwickeln seien, wie sie im Handwerk der Schlosser praktiziert werden, diese Idee, die räumliche Stabilität durch die Labilität eines unsichtbaren Mediums zu garantieren, war nicht zuletzt durch Buckminster Fullers Fotomontage des Dome over Manhattan von 1960 inspiriert worden. Entsprechend begegnet man dem amerikanischen Altmeister auf einer der Stationen, die der „Luftschlosser“ Zamp Kelp auf seiner mehr als 200 Buchseiten umfassenden Zeitreise im Gefolge der Happenings, der Fluxusbewegung und vor allem des Wiener Aktionismus hat wieder aufleben lassen. Und so dokumentiert dieses Lilly Kelp gewidmete Buch die Intentionen und den Beginn jener Entwicklung mit Klugheit und Esprit, mit der Haus-Rucker-Co den Architekturberuf ins Feld der künstlerischen, der konzeptionell-gesellschaftspolitischen Aktionsarbeit hineinkatapultiert und als Street-Art neu erfunden hat.