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Barkow Leibinger – Revolutions of Choice

Ausstellung im Haus am Waldsee
Kuratiert von Katja Blomberg und Ludwig Engel
Argentinische Allee 30, 14163 Berlin
18. Juli – 4. Oktober 2020

Symposium zu neue Materialien und experimentellem Bauen
29.8. von 11 – 18 Uhr

In lockerer Folge präsentiert das Haus am Waldsee als Ort zeitgenössischer bildender Kunst auch internationale ArchitektInnen, die ihre Büros in Berlin unterhalten. Im Sommer 2020 widmet sich das Haus am Waldsee nun dem amerikanisch-deutschen Architektenduo Frank Barkow (*1957) und Regine Leibinger (*1963), deren Werk sich seit den 1990er-Jahren von Berlin aus global entfalten konnte. 

Nach ihrem Studium an der Harvard University gründeten Barkow Leibinger 1993 ein Büro in Berlin. Frank Barkow lehrte als Gastprofessor an führenden amerikanischen Hochschulen sowie in London und Lausanne. Regine Leibinger lehrte neben der gemeinsamen Bautätigkeit ebenfalls international und übernahm von 2006 bis 2018 eine Professur an der Technischen Universität Berlin. Heute teilen sich beide Partner eine Professur an der Princeton University. 

Barkow Leibinger gehören zu den Vorreitern einer Generation von ArchitektInnen, die versuchen die Grenzen ihrer Disziplin durch Materialforschung, digitale Fabrikationstechniken und maschinelle Fertigung von Gebäuden permanent zu erweitern. Gleichzeitig pflegen sie eine enge Verbindung zu künstlerisch-experimentellen Praktiken. Das Wechselspiel zwischen Technik und Mensch – sowohl aus künstlerischer als auch aus technologischer Sicht – manifestiert sich nicht nur in Barkow Leibingers großmaßstäblichen Gebäuden, sondern auch in ihren temporären Pavillons sowie in neu entwickelten Materialien. Dabei lösen sich die Grenzen zwischen begehbarer Skulptur, Bauteil, Ornament und Funktion auf. 

Durch die Digitalisierung verflüssigen sich Arbeitsprofile und -strukturen. Dazwischen steht die Architektur, die sowohl auf die technologischen Anforderungen reagiert, als auch zwischen der neuen und der alten Arbeitswelt vermitteln muss. Auf besondere Weise kommt der architektonischen Gestaltung der Arbeitswelt heute eine Art Pufferfunktion zu, die eine Latenz der Entwicklungsgeschwindigkeiten einzubauen hat. So ist es die Aufgabe heutiger ArchitektInnen, ausgleichend zwischen dem sich nur langsam mit der neuen Lebenswelt arrangierenden Individuum und der sich jede Sekunde weiter beschleunigenden Technologie zu wirken.

Barkow Leibinger stellen sich diesem hochaktuellen Komplex. In ihrer Architektur geht es stets um die Vermittlung beider Pole. Immer wieder müssen sie zwischen maschinell-funktionalen Anforderungen und ästhetisch-menschlichem Maßstab abwägen und eine Mitte finden. Die Frage, welche Qualitäten für die Menschen bleiben, die in den Räumen der Digitalisierung leben oder arbeiten, beantworten Barkow Leibinger seit Jahren mit der Kombination aus streng moderner Funktionalität und Ornamentik. Eigens entwickelte Materialien und künstlerisch gestaltete Formen, die auf unterschiedliche kulturelle Traditionen verweisen, schaffen in den ansonsten immer aseptischer und menschenfremder werdenden Arbeitsräumen Momente, die dem Menschen mit seinen analogen Bedürfnissen seinen zentralen Platz geben. 

 
 
 
 
 
 
 

Im kreativen Dialog mit KünstlerkollegInnen formulieren Barkow Leibinger ihren Anspruch an die Architektur, den Menschen als Nutzer ungewöhnlicher Raumkonstellationen in den Mittelpunkt zu stellen. Ausgehend von diesem interdisziplinären Ansatz hat sich ihr Selbstverständnis in mehr als zwei Dekaden zu einem Zusammenspiel von Praxis, Forschung und Lehre entwickelt. Beispiele dieser experimentellen Herangehensweise wurden bereits in mehreren internationalen Ausstellungen präsentiert: so unter anderem an der prominenten AA, Architectural Association in London 2009, bei den Architektur-Biennalen 2008 und 2014 in Venedig, der Marrakesch Biennale 2012 in Marokko sowie der Chicago Architecture Biennial 2017. Einzelne Objekte und Modelle befinden sich im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt a.M., in den Sammlungen des Centre Pompidou in Paris und des Museum of Modern Art in New York.

Das Herzstück der Ausstellung stellt im Skulpturenpark am See der neu interpretierte Pavillon, den Barkow Leibinger 2016 als „Summer House“ für die Serpentine Gallery in London entwickelt haben. Vor dem Ausstellungshaus stoßen die BesucherInnen bereits auf eine Passage aus zwei Betonwänden, die durch ein neues Abgussverfahren aus Infraleichtbeton geschaffen wurden und als innovatives Baumaterial bei Barkow Leibinger Verwendung finden.

Im Haus selbst finden sich im Erdgeschoss hohe Stellagen, die eine Fülle von Materialstudien und Modellen zeigen. Visionen, Experimente, Gebautes und Ungebautes werden komprimiert ausgebreitet und kommentiert. In den Räumen des 1. OG sind Materialzitate im Maßstab eins zu eins zu erleben. Hier können die BesucherInnen Raumexperimente ganz unmittelbar physisch erleben. 

Die Ausstellung unternimmt den Versuch, das gesamte Werk unter zwei Aspekten zu betrachten: Barkow Leibingers ausgeprägtem Talent für Materialexperimente sowie ihrem Leidenschaft zu temporären Gebäuden, die begehbaren Installationen gleichen. Die Schau umfasst über zwanzig Schaffensjahre und findet im gesamten Innen- und Außenbereich des Hauses statt. Sie wendet sich an ein Publikum, das nicht nur an gebauten Ergebnissen, sondern auch an Entwicklungsprozessen in der zeitgenössischen Architekturpraxis interessiert ist. 

Am am 29.8. von 11 – 18 Uhr findet ein ganztägiges Symposium mit Barkow Leibinger zum Thema neue Materialien und experimentelles Bauen statt. Im Anschluss findet ein Künstlerdinner im Freien statt.

Details auf www.hausamwaldsee.de