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ARCH+ news

Videovortrag: Kunstkrematorium SPACE / ING

Donnerstag 24. Februar 2011, 20.00 Uhr

Museum of American Art Berlin

Frankfurter Allee 91

Im kommenden Heft ARCH+ 201/202 wird geprüft, inwiefern Kunst und Kultur in Berlin als Raumgeneratoren fungieren. Das Projekt Kunstkrematorium zeichnet diesen Weg zur Krise des Raumes für Kunst fort und empfiehlt die verdichtende Erlösung:

 

Raum wird in unserer Zeit zunehmend zum kostbaren Gut. Dadurch und durch die zunehmende Überproduktion in der Kunst geraten immer mehr Künstler, Kunstsammler und Kunstinstitutionen in große Schwierigkeiten.

Immer wieder haben sich im Lauf der (Kunst-)Geschichte Künstler und Künstlerinnen, künstlerische Strömungen, aber auch politische Ideologen mit der Institution des Museums als Ort des Bewahrens auseinandergesetzt. Jede Sammlung stößt irgendwann auf ein Platz-Problem … Um hierbei neue Wege einzuschlagen und neue Räume zu schaffen, wollten manche die Museen (als Orte des Bewahrens) abschaffen oder zerstören, andere vernichteten Kunst selektiv, wiederum andere gingen destruktiv oder auto-destruktiv mit Kunst um. Einige haben tiefe, andere vergängliche Spuren in der Kunstgeschichte hinterlassen. Manche haben versagt und andere sind zu gewissen Lösungen gekommen. Interessant ist, dass ein Großteil jener Angriffe heute Teil des institutionalisierten Kunstbetriebes geworden ist.

Durch die Zusammenarbeit zwischen einem anonymen Bauherrn und der Gruppe »Psychiatriepatienten« entstand im Jahr 1995 zum ersten Mal eine reale Idee für ein universelles Werk, das Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen der Gesellschaft bewirken sollte.

Um neuen Raum in Raum zu schaffen wurde die Idee des »Kunstkrematoriums« geboren. Diese Institution erlaubt den Menschen, sparsamer mit Raum umzugehen. Durch Transformation (sog. SPACE / ING1) des jeweiligen Kunstwerkes ermöglicht das Kunstkrematorium dem -Eigentümer das Werk weiterhin als sein Eigentum zu behalten, jedoch in einer geschrumpften / raumreduzierten Form. Das Kunstkrematorium ist kein Ort oder Objekt an dem Kunst gelernt, praktiziert oder präsentiert wird, sondern das erste architektonische Konzept, in welchem Kunst räumlich rationalisiert und bis zu einem bestimmten Punkt dematerialisiert wird. Es ist die letzte Station eines Werkes in seiner ursprünglichen Form.

Jeder kann das Kunstkrematorium benutzen und jeder kann ein Werk aus seinem Besitz zum SPACE / ING bringen. Das Kunstkrematorium dient keiner kulturellen »Säuberung«, es ist kein »Hygieneinstitut« – es ist eine Erfindung, die Fragen der Relation zwischen Raum und Materie neu stellt. Kein Gewaltmechanismus wird benutzt, keine Revolution findet statt – und doch bedeutet das  SPACE / ING einen evolutionären Schritt. Es funktioniert entsprechend des Wunsches und der intellektuellen Reife des Menschen. Das praktische Handeln im Kunstkrematorium schafft ein neues Bewusstsein für Raum und Umwelt.

Durch das SPACE / ING des Kunstwerks verliert das Material jegliche unnötige und überflüssige Rolle und Bedeutung. In materieller Hinsicht bleibt nur Staub, der in einer kleinen Urne plaziert wird – der Informationsgehalt hingegen wird erhalten: Bevor ein Kunstwerk zum SPACE / ING gebracht wird, wird das Werk detailliert visuell dokumentiert (Scan, Video, Foto) und digital gespeichert. Somit besteht immer die Möglichkeit, das Werk in einem 3D-Screening zu sehen oder sofern nötig, in einer materiellen Form wiederherzustellen. Mit anderem Worten: SPACE / ING sublimiert das Kunstwerk.

Im Falle einer Klimakatastrophe oder eines Krieges sind die Daten des Werkes nach heutigen Sicherheits-Standards gesichert. Selbst für den Fall, dass die Menschheit unseren Planet verlassen müsste, wären diese Daten um einiges leichter zu transportieren als das ursprüngliche Material. Das Krematorium arbeitet mit einem Laser-Strahl, der ohne große Temperatur-Entwicklung auch härteste Materialien zersetzt. Die dennoch freiwerdende Energie wird innerhalb des KK umgenutzt oder in der nahen Umgebung liegenden Haushalten zugeführt.

Der Prozess des SPACE / ING kann beobachtet werden. Somit steht der Mensch ganz nahe am Ende und gleichzeitig an einem neuen Anfang eines Werkes und wird hautnah mit der Frage der Vergänglichkeit konfrontiert.

Natürlich stellen sich ein paar Fragen:

Ist das, was in dem Kunstkrematorium passiert, Kunst?

Wird der Besitzer des Werkes durch diesen Schritt Teil der Geschichte des Kunstwerkes?

Können Alltagsgegenstände durch den SPACE / ING-Prozess zum Kunstwerk werden?

Wie in Formblatt KK2 ersichtlich, trifft das Kunstkrematorium keinerlei Selektion – die Entscheidung ein Kunstwerk zu transformieren, basiert auf dem Bewusstsein des Individuums. Was, wenn ein Mensch sich selbst zum Kunstwerk erklärt und sich lebendig zum SPACE / ING übergibt?

Wenn eines Tages das Kunstkrematorium seine Relevanz und Bedeutung offenbart, wird sich in der Folge auch die urbane Landschaft verändern. Bei der zukünftigen Konzeption der Städte wird dieses Objekt als Bestandteil der Stadtplanung vorgesehen sein. Durch das Kunstkrematorium werden Architektur und Kunst in einer neuen Form vereint.

Das Kunstkrematorium hat das Potenzial, ein ganzes System ohne Gewalt oder Machtausübung gründlich zu verändern. Wir werden sehen, welche Rolle dieses Objekt in unserer zukünftigen Gesellschaft spielen wird. Der neue Umgang mit Materie könnte in einer materialistischen Gesellschaft zu enormen Veränderungen führen.

www.kunstkrematorium.org