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Kubus oder Kuppel. Moscheen. Perspektiven einer Bauaufgabe

Die ifa-Galerie Stuttgart zeigt von Ende Januar bis zum 1. April eine Ausstellung über die jüngsten Entwicklungen einer Bauaufgabe, deren Meisterwerke Architekten und Gläubige noch heute herausfordern.

ifa-Galerie Stuttgart: 27.01.–01.04.2012
ifa-Galerie Berlin: 27.07.–30.09.2012


Moschee in Dubai (2010), Architektur: Fariborz Hatam, Aedas, Dubai
© Fariborz Hatam, Aedas Limited (Rep Office), Dubai

 

Nach der erfolgreichen Kooperation mit ARCH+ bei der Ausstellung Post-Oil City, die dieses Jahr in einer englischen Fassung durch Indien wandern wird (weitere Fassungen in Portugiesisch und Spanisch sind in Vorbereitung), hat sich die ifa-Galerie mit der demnächst in Stuttgart eröffnenden Ausstellung über Moscheen wieder einem brisanten Architektur-Thema gewidnet. Der Moscheebau, wie die polemischen Debatten über die Präsenz von Moscheen im Stadtbild in Europa gezeigt haben, ist ein hochpolitisches Thema. Denn implizit werden damit Fragen verhandelt, die das gesellschaftliche Binnen- und Außenverhältnis des Islam betreffen: Was sagt der zeitgenössische Moscheebau über das Verhältnis des Islam zur Moderne? Was sagen die Debatten um Minarettverbot und (Un-)Sichtbarkeit von Moscheen in Europa einerseits über das Verhältnis des Islam zur Mehrheitsgesellschaft und andererseits was bedeuten diese populistischen Strömungen für das Selbstverständnis der westlichen Demokratien?

Auszug aus dem Ankündigungstext:

"Was macht eine Moschee zur Moschee? Das ist ganz einfach: eine Wand, die exakt nach Mekka ausgerichtet ist." Knapp und klar beschreibt der kuwaitische Planer und Architekturprofessor Omar Khattab die Charakteristik des muslimischen Gebetsplatzes. Für die Architektur der Moscheen gibt es zwar Traditionen und Bezüge, jedoch nur wenige ästhetische Gestaltungsvorschriften.

Die Bauaufgabe kann immer wieder neu erdacht, erfunden, erbaut und von Künstlern in ihren Installationen, Objekten und Fotografien hinterfragt werden. Gestaltungsvariationen und Entwürfe von Moscheen zeigt die Ausstellung in vier unterschiedlichen Sektionen: Unter dem Titel "Neue Wege" werden Bauten postkolonialer Staatengründungen in Indonesien und Pakistan ebenso verhandelt wie der Neubau von Gebetshäusern im durch Migration geprägten Europa. "Zeitgenossenschaft" thematisiert die Entwicklung einer eigenen Formensprache in Ankara, Dubai, Ramallah sowie Singapur und steht für den Ausdruck des "Euro-Islam" in Deutschland und den Niederlanden.

In der Sektion "(Un)-Sichtbarkeit" werden Strategien vorgestellt, bei denen Planer sich mit dem Thema der Tarnarchitektur einerseits und der künstlerischen Irritation andererseits auseinandersetzen – von der Umnutzung über das Schweizer Minarett-Verbot, bis zum Kunst-am-Bau-Projekt.

Schließlich stellt der Bereich "Begegnung" einen Bezug zu klassischen Bauformen, aber auch zu Öffnung in Bezug auf andere Religionen her.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Wasmuth-Verlag mit 144 Seiten und 145 Abbildungen:
Kubus oder Kuppel
Moscheen. Perspektiven einer Bauaufgabe
Ernst Wasmuth Verlag, 2012 (Kulturtransfers #4)

 

Einige Beispiele aus der Ausstellung:

(Un-)Sichtbarkeit


Tarik Sadouma & Bastiaan Franken: Albert-Heijn-Moschee, Amsterdam, 2001

Verbotene Minarette, versunkene Moscheen, umgenutzte Lagerräume – die öffentliche Sichtbarkeit des Islam ist auf verschiedene Weise auf der ganzen Welt ein Thema.

Die Gemeinde im Züricher Zentrum wollte weder eine Hinterhofmoschee noch einen Neubau. Stattdessen beauftragte sie das Büro Kory Architekten mit dem Umbau eines ehemaligen Lagerhauses. Entstanden ist eine Etagenmoschee, die heute Teil eines vielfach genutzten Komplexes mit Jazz-Club, Gemüsehandel, Kunstschule, einer Sozialstation und Wohnungen ist. Ebenfalls aus Zürich stammt der Beitrag des Büros Frei und Saarinen. Mit dem Projekt "Ceci n'est pas un minaret" kommentieren sie das Minarett-Verbot aus dem Jahr 2009. Freigestellt bildet die Kontur einen Hohlraum in der Fassade und ist damit kein eigener Baukörper.

Das Künstlerduo Tarik Sadouma und Bastiaan Franken reagierten mit ein Experiment auf die Frage nach der Sichtbarkeit: Sie eröffneten eine temporäre Moschee in ehemaligen Amsterdamer Supermarkt der Kette Albert-Heijn. Die Architektinnen von Zest näherten sich mit der Ray of Light Mosque einem Reizthema aus nichtislamischer Sicht: der Geschlechtertrennung. Die Kuppel ist durch einen breiten Lichtschlitz geteilt – die einfallenden Lichtstrahlen der Sonne teilen den Betraum in zwei Segmente.

 

Azra Akšamija, Frontier Vest, Performance:


© Azra Akšamija

Die Architektin, Historikerin und Künstlerin Azra Akšamija beschäftigt sich in ihrer wissenschaftlichen Forschung mit der Bauaufgabe Moschee als Ausdruck der Identitätsbildung in Bosnien-Herzegowina. In ihren künstlerischen Arbeiten, der Nomadic Mosque, Dirndlmoschee und der Frontier Vest, arbeitet sie mit Objekten, die in Performances inszeniert werden. Sie entwirft dafür Kleidungsstücke, die als quasi-architektonische Körperhüllen für transkulturelle Prozesse und Begegnungen in religiösen Räumen der USA und Westeuropa stehen. Dabei geht sie dem Begriff des Moscheen-Raumes in seinen formalen Grenzen nach und verweist auf die offene Gestaltung des Gebetsplatzes im Islam, für den lediglich die Richtung nach Mekka verbindlich festgelegt ist. Im Design eines schwarzen Business-Kostüms für Frauen, kann die "Nomadic Mosque" an jedem Ort zu einem Platz des religiösen Rituals umfunktioniert werden, indem Kopftuch, Gebetsteppich und Tasbih (eine Gebetskette, deren Glieder das Vortragen der Gebete unterstützen) in die Kleidung integriert sind.

 

Johannes Buchhammer, die unsichtbare Stadt


Blatteinleger, 2010 © Johannes Buchhammer

Johannes Buchhammer ging der Frage nach, wie sich Moscheen in Stuttgart präsentieren. Um das Thema Sichtbarkeit auch in seiner eigenen Arbeit zu thematisieren, griff er in Struktur und Gestaltung auf die Bauentwurfslehre von Ernst Neufert, die erstmals 1936 aufgelegt wurde, zurück. Auf der Grundlage seiner Forschung über Stuttgarter sogenannte Hinterhofmoscheen entwickelte Buchhammer zwei neue Seiten als Blatteinleger für die Moschee der Entwurfslehre: Er führt dabei keine Neuplanungen an, sondern zeigte die Grundrisse zweier Moscheen in Bestandsgebäuden. Die erste befindet sich in einem früheren gründerzeitlichen Wohnhaus, die zweite in einer ehemaligen Fabrik.