Julius Posener geht in den Vorlesungen auf die „Architektur und den Städtebau im Zeitalter der bürgerlichen Revolution“ ein und analysiert die sozialen Folgen der Französischen wie der Industriellen Revolution, sprich das Stadtwachstum und die damit zusammenhängende Wohnungs- und Klassenfrage sowie die widerstreitenden Antworten darauf: Reform (Paternalisten) oder Utopie (Frühsozialisten). Mit der Beschreibung des bautechnischen Fortschritts im 19. Jahrhundert gibt er aber auch einen Ausblick auf die Suche nach einer kommenden Architektur, die wir gemeinhin die moderne nennen – sie wird den Fokus des zweiten Bandes bilden. Mit der Neuausgabe sind die ursprünglich in fünf Ausgaben von ARCH+ in chronologisch umgekehrter Reihenfolge erschienenen Vorlesungen, die die Zeit von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Jahr 1933 behandeln, in zwei thematisch und chronologisch aufeinander aufbauende Komplexe zusammengefasst.
Posener begreift Architekturgeschichte als Gesellschaftsgeschichte, somit ist seine Architektur- und Stadtanalyse immer auch Gesellschaftsanalyse. In diesem Sinne hat Posener die Vorlesungen zur Geschichte der Neuen Architektur nicht nur retrospektiv, sondern auch prospektiv angelegt. Prospektiv, weil sie uns zeigen, wie die Zukunft der Architektur aussehen kann – und dass wir uns vor dem Neuen nicht zu fürchten brauchen, wenn wir die Tiefenstrukturen der Geschichte verstehen. Dieser Ansatz entreißt die Geschichte aus den Händen derjenigen, die sie heute als Fetisch missbrauchen, und macht sie wieder produktiv für die Verhandlung von Gegenwartsfragen.